Eine medizinische Fachangestellte aus Frellstedt hat sich über die Sozialen Medien an die Öffentlichkeit gewandt. Denn die Lage in der medizinischen Versorgung hält Mareike Blarr kaum noch tragbar. Ihrer Meinung nach muss sich strukturell etwas ändern, damit die medizinische Versorgung nicht vollends zusammenbricht.
Deswegen postet sie fast täglich zu Themen, die sie und ihre Kollegen als Medizinische Fachangestellte – kurz MFA – bewegen. Unter dem Namen „kein Platz im System“ informiert sie auf Facebook und Instagram über fehlendes Personal und die vielen Facetten ihres Berufs.
Das Bild, das viele von dem Berufsfeld haben, findet sie unangebracht und falsch. „Ich glaube, MFA hat so ein Klischee, wir gehen nie ans Telefon und wir trinken nur Kaffee“, sagt sie. Die Mitarbeitenden, die die Meisten bei den Ärzten hinter dem Tresen sehen, tun aber viel mehr. „Man muss ganz klar sagen, ohne uns MFAs ist keine Praxis da“, beschreibt Blarr.
MFA ist mehr als Patienten anmelden
Außer der Arbeit an der Rezeption – also Termine vereinbaren und Patienten anmelden – kommunizieren die Medizinischen Fachangestellten auch mit Facharztpraxen, bereiten die Termine vor und nach, nehmen Blut ab. „Ich denke nicht, dass der Arzt das in dem Umfang schaffen könnte, wenn er nicht die MFAs an seiner Seite hat.“
Die Idee zu der Instagramseite war eigentlich eine Kurzschlussreaktion, erzählt Blarr. „Die Verzweiflung hat schon lange in mir geschlummert.“ Die Vorwürfe und Klischees hätten sich jedoch in den vergangenen Monaten so angehäuft, dass ihr es irgendwann reichte. Der Kanal „kein Platz im System“ war geboren. Nun postet sie regelmäßig.
Die Posts für „kein Platz im System“ seien mehr Arbeit, als sie anfangs erwartet habe, berichtet die MFA. Denn neben der Recherche will das Thema verständlich formuliert sein. „Ich sitze auch mal zwei, drei, vier Stunden da, von der Idee zum fertigen Post.“
Seite mittlerweile mehr als eine Frustreaktion
Mittlerweile hat sich Blarr einige Ziele gesetzt, die sie zusätzlich zu der geschaffenen Öffentlichkeit erreichen will. Mit ihrer Plattform setzt sie sich für mehr Wertschätzung und Respekt ein. Ihre Kolleginnen und Blarr üben ihren Beruf mit viel Herzblut aus, beteuert sie. Sie hätten es jedoch nicht verdient, angeschrien zu werden.
Die Pandemie habe in einer ohnehin schon schwierigen Situation einiges verschlechtert, erinnert sich Blarr. Mit den Sicherheitsmaßnahmen und Tests seien für sie und ihre Kollegen Aufgaben hinzugekommen. Zusätzlich sei der Ton der Patienten rauer geworden.
„Wir mussten uns beschimpfen lassen: Dass wir zu langsam impfen, dass wir unfair impfen, dass wir dies nicht machen und das nicht machen.“ Trotzdem blieben Anerkennung und Unterstützung aus der Politik jedoch aus. „Das war dann der Dank, dass wir ihn nicht bekommen haben“, sagt sie.
Lage für Hausärzte prekär
Ein weiteres großes Problem, das sich auf Blarr und ihre Kollegen in der Praxis bei Helmstedt auswirkt, ist die Zahl der Hausarztpraxen. Immer weniger Hausärzte müssen immer mehr Patienten versorgen. Es komme immer wieder vor, dass Patienten in der Praxis stehen, die dringend behandelt werden müssen. Die Hoffnung, in Frellstedt aufgenommen zu werden, gebe ihnen noch etwas Halt, berichtet Blarr. „Und dann musst du nein sagen, obwohl du einfach nur Ja schreien möchtest.“
Mittlerweile sucht sich Blarr auch Unterstützung aus der Politik. Kreis- und Stadtverwaltungen haben ihrer Meinung nach einige Möglichkeiten, die medizinische Versorgung zu unterstützen. Zudem hält sie einen höheren Mindestlohn für Medizinische Fachangestellte sehr gut. „Es gibt ja Branchen, die es schon vorgemacht haben, dass man einen Mindestlohn für eine Branche haben kann“, sagt sie.