Deutschlands Wälder sind in einem alarmierenden Zustand – und das liegt nicht nur am Klimawandel. Darum ging es im Vortrag des Forstexperten Dr. Lutz Fähser am Freitag, den 26. September im Wissensort Wolfenbüttel (WOW). Er beschrieb, dass intensive Eingriffe, falsche Bepflanzung und der Einsatz schwerer Maschinen maßgeblich zur Schädigung der Wälder beitragen.
Eingeladen von der Evangelischen Erwachsenenbildung Braunschweig und dem Arbeitskreis Wald aus der Region Wolfenbüttel, präsentierte Fähser vor rund 50 interessierten Zuhörern sein naturnahes Waldkonzept. Dabei ging er unter anderem mit der gängigen Forstpraxis hart ins Gericht.
Naturnahe Waldnutzung: Das Lübecker Modell als Erfolgsbeispiel
Fähser entwickelte 1994 in Lübeck das Konzept der „Naturnahen Waldnutzung“, das seitdem im Stadtwald Lübeck erfolgreich umgesetzt wird. Sein Ansatz: Die Natur soll sich weitgehend selbst regenerieren – ohne Kahlschläge, ohne fremde Baumarten, ohne Bodenverdichtung. Statt vieler Eingriffe setzt das sogenannte „Lübecker Modell“ auf natürliche Kreisläufe. Bäume werden nur vereinzelt und schonend entnommen. Totholz bleibt im Wald – als Lebensraum, Schutz vor Erosion und Starthilfe für neue Vegetation.
Das Ergebnis spricht für sich: In Lübeck hat sich der Holzvorrat im Vergleich zu konventionellen Wäldern nahezu verdoppelt. Über 25 Städte, darunter Hannover, Uelzen und Göttingen, folgen bereits dem Beispiel.
Kritik an aktuellen Einschlagmethoden
Vor seinem Vortrag hatte sich Fähser selbst ein Bild vom Zustand der Wälder in Elm und Asse gemacht – und zeigte sich schockiert. Viel zu frühe Holzentnahmen, massive Eingriffe mit schwerem Gerät und deutlich sichtbare Bodenschäden seien keine Ausnahme, sondern traurige Regel. „Mehr als drei Viertel aller Bäume in Deutschland sind stark geschädigt oder gefährdet“, so Fähser – und das nicht nur wegen Trockenperioden.
Insbesondere der Einsatz sogenannter „klimafester“ Importbäume wie Douglasien sei kontraproduktiv. Sie störten das empfindliche Gleichgewicht und verdrängten heimische Arten, die besser an die lokalen Bedingungen angepasst seien.
Ökologie rechnet sich – auch wirtschaftlich
Fähser plädiert nicht nur aus ökologischer Sicht für mehr Zurückhaltung. Auch wirtschaftlich ergäbe es Sinn, der Natur Raum zu geben: „Ein Jahrzehnt ohne Eingriffe spart Kosten – und schafft gesunden, widerstandsfähigen Wald.“
Dass dieses Modell nicht überall auf Zustimmung stößt, zeigte sich in der Diskussion im Anschluss. Vor allem Förster, die in der konventionellen Forstwirtschaft tätig sind, äußerten Bedenken – ein konstruktiver Austausch folgte.
Harz als Warnsignal
Immer wieder kam in der Diskussion auch der Harz zur Sprache – ein Negativbeispiel für gescheiterte Forstpolitik. Hier seien die Schäden inzwischen so massiv, dass viele Flächen kaum noch Waldcharakter hätten.
Wer tiefer in das Thema einsteigen möchte, dem empfiehlt Fähser das von ihm mitverfasste Buch „Der Holzweg – Wald im Widerstand der Interessen“.
Beitragsbild: Lutz Fähser referierte über den Zustand der Wälder. Foto: Annette Behrens